Gestern war nun endlich ein "dreifaches" Bienenerlebnis wie es der Staatssekretär Stefan Tidow eingangs formulierte: Erstens fand die Eröffnung der Bienenausstellung "Stadt - Land - Biene" statt, die nun auf der IGA 2017 zu sehen sein wird, zweitens fand die gleichnamige Fachtagung statt und drittens wurde die Kooperationsvereinbarung zwischen der Deutschen Wildtierstiftung (vertreten durch den Geschäftsführer Hilmar Freiherr von Münchhausen), dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf (vertreten durch den Stadtrat Oliver Schruoffeneger) und dem Berliner Senat (vertreten durch den Staatssekretär Stefan Tidow) unterzeichnet, mit der das Pilotprojekt "bestäuberfreundliche Stadt" initiiert wurde. Insgesamt werden 400.000 € als Eigenanteil für die Beantragung einer Förderung im Rahmen des "Biologische Vielfalt"-Programms des Bundes bereit gestellt.
Ziel ist es, auf ausgewählten Verkehrsflächen über stadttaugliche Blühmischungen und neue Konzepte für verkehrssichere, stadttaugliche Wildbienennisthilfen ein zum Rasen alternatives, bienenfreundlicheres Stadtgrün umzusetzen. Das Projekt wurde im Rahmen der Fachtagung durch Gabriele Pütz von dem Landschaftsarchitekturbüro Gruppe F vorgestellt.
Die anschließende Fachtagung bot den rund 80 Besuchern einen abwechlungsreichen Blick in die Materie. Den Auftakt machte Professor Randolf Menzel, der eindrucksvoll und begeisternd berichtete, wie Bienen über elektromagnetische Felder kommunizieren, Blüten anders sehen und abstrahieren können. Er zeigte wie man ermittelt hat, dass Bienen tatsächlich über eine innere Landkarte verfügen und tatsächlich einmal Gelernte wieder reaktivieren. Er apellierte nochmals daran, die Einstufung von Thiacloprid als "nicht bienengefährlich" zu überdenken, wenn bereits eine chronische Aufnahme von 2 ng je Sammelflug bereits Beeinträchtigungen in der Lernleistung zeige und eine tatsächliche Exposition von 420 ng je Sammelflug realistisch sei.
Dr. Christoph Saure berichtete mit fantastischen Bildern über die Wildbienenvielfalt Berlins - aktuell habe er 312 Arten für Berlin und damit 54% der deutschen Artenzahl nachgewiesen. Aber das solle nicht darüber hinwegtäuschen dass vieles im Argen läge da viele der Arten Einzelfunde seien, die schon über lange Zeit nicht mehr gefunden wurden da zudem die Fundflächen (meist Brachen) inzwischen bebaut wurden. Flächen wie die von Bebauung bedrohte Fläche in Lichterfelde Süd hätten auch an Blütenvielfalt eher verloren. Für manche Arten trage Berlin auch besondere Verantwortung da sie nur hier vorkämen. Als wesentliche Forderungen fornulierte er den Erhalt des Biotopverbundes; nicht zuletzt auch durch zwischenzeitliche Nutzung von Baulücken bis zu deren Versiegelung, die Besucherlenkung an wildbienenreichen Standorten, die extensive und mosaikartige Mahd aber auch die Zurückhaltung in Bezug auf die Bienenhaltung an und in Naturschutzgebieten.
Dr. Werner Kratz, der trotz eines akuten Fußbruchs gekommen war, legte mit seinem Vortrag den Finger in viele Wunden: Ein Zulassungsverfahren für Pestizide das sich an einigen, wenigen Testorganismen wie Wasserfloh und Honigbiene orientiere, werde zur Bewertung auf ganze Ökosysteme herangezogen. Realistische Tankmischungen würden überhaupt nicht geprüft, sondern nur Einzelsubstanzen. Hinzu kämen viele Anwendungsfehler - so sei die Sikkation (also das Abtöten des ganzen Aufwuchses mit Glyphosat-Formulierungen) genehmigungspflichtig (was oft ignoriert würde und kaum sanktioniert werde) und da Lohndienstleister eingesetzt würden, werde bei zu hohen Windstärken und falschen Tageszeiten gespritzt. Neonicotionoide seien bis 7000mal giftiger als das unrühmlich bekannte DDT. Eine Greenpeace-Studie zeige, dass fast alle im Super- oder Baumarkt angebotenen Gartenpflanzen mit Pestiziden behandelt seien und davon rund die Hälfte mit Neonicotionoiden.
Nach dem Mittagessen ging es eher in die Praxis. Neben praktischen Beispielen aus der Arbeit des Berliner Hymenopterendienstes stellte die Wildtierstiftung ihr Hamburger Projekt vor, in dem sie viele praktische Projekte realisiert hätten - blühende Mittelinseln, Säume und Hecken wie auch Nistwände seien realisiert worden.
Das BfN stellte die Projekte "Summendes Rheinland" und "BienABest" vor, das vor allem einfache Feldbestimmungsmethoden erstellen will. Der NABU Frankfurt (Oder) stellte das REWE-geförderte Projekt zum Wildbienenschutz beim integrierten Obstanbau vor. Hier zeigte sich auch, dass eben so ein Projekt auch dazu dienen kann, "Schlimmeres" wie den Raps- oder Maisanbau auf den Flächen zu verhindern - vor allem eben wenn es sich um schlechte Böden und schwierige Marktbedingungen handelt.
Hier kam nun auch noch ein Praktiker zu Wort denn der Landwirt Thomas Bröker zeigte praktische Probleme auf. So sei die Produktivität von Bio-bewirtschafteten Flächen nur etwa halb so hoch wie die der konventionellen so dass die derzeitigen Erträge nicht gehalten werden könnten. Den Tendenz ginge dahin, für den Bio-Anbau Flächen einzufolien damit erst gar keine Schädlinge rankämen und jeden Zentimeter, den eben Kornblume und Klatschmohn einnähmen, koste den Bauern bares Geld - so mancher Bauer habe so zwar für das Auge schöne aber praktisch ohne Ertrag gebliebene Flächen angesäht.
Dazu gab es natürlich Diskussionsbedarf doch der Moderator, Helmuth Henneberg, war unerbittlich - Sachfragen waren gestattet doch angesichts des umfangreichen Programms und des schönen Wetters das doch sehr auf die IGA lockte, war eine weiterführende Diskussion nicht möglich. Letztendlich machte der Beitrag aber klar, dass der sachliche Dialog zwischen Landwirten und Bienenschützer unabdingbar ist und praktisch fehlt. Aktuell melden sich vor allem die agrarischen Politiker, Verbändevertreter, Agrarunternehmen und die Vertreter der Agrarchemie zu Wort wenn für "den Bauern" zu sprechen ist aber viel zu selten kommt eben der gewünschte "Kleinbauer" zu Wort, der gegen die Großen mithalten muss!
Den Abschluss bildete ein Podium aus den Zuhörern: dem Stadtrat Oliver Schruoffeneger, Corinna Hölzer (Stiftung Mensch und Umwelt) und Michael Gödde (Senatsverwaltung f. Umwelt, Verkehr und Klimaschutz), die mit überraschenden Fragen des Moderators "gekitzelt" wurden - welche neuen Infos näme man aus der heutigen Veranstaltung mit und was sei ungesagt geblieben.
Wer die Bienenausstellung sehen möchte, sollte auf der IGA den Umweltbildungspavillon mit dem Grünen Klassenzimmer besuchen. Danach geht die Ausstellung auf Wanderschaft!